Zum Tode von Sr. M. Josefinia Wolber

Mit Betroffenheit und Trauer nahmen das Gymnasium St. Michael, aber auch viele Ahlener  die Nachricht vom Tod der langjährigen Direktorin der Schule Schw. M. Josefinia  Wolber auf, die am 2. November im 92. Lebensjahr verstorben ist. Seit Sommer 2015 lebte sie im Kloster Annenthal in Coesfeld.

Am Weihnachtstag 1924 in der Nähe von Bonn geboren, besuchte sie das St.-Josef-Gymnasium in Rheinbach, wo sie auch den Schwestern Unserer Lieben Frau begegnete, die hier nach dem Zusammenbruch der NS-Diktatur etwas Neues schaffen wollten. Die Erfahrungen mit der NS-Diktatur, im gleichen Alter zu sein wie die Geschwister Scholl, sich aber nicht wie diese gegen das System zur Wehr gesetzt zu haben, wird ihr weiteres Leben als Lehrerin und Nonne begleiten. Kritisch gegenüber Obrigkeiten und  Bestimmungen lebte sie einen eigenen Stil, der auch Eingang fand in die Schule, die sie von 1971 bis 1989 in Ahlen führte.

Nach ihrem Eintritt in den Orden der Schwestern Unserer Lieben Frau 1947 studierte sie in Bonn die Fächer Germanistik (Ihre große Liebe war Goethe), Biologie und Erdkunde, nachdem sie sich vorher in verschiedenen Studiengängen wie Deutsch, Philosophie, Wirtschafts- und Theaterwissenschaften „herumgetrieben hatte“ wie sie einmal sagte. Damals entstand bei ihr auch das besondere Interesse für die römische Antike.

Ihre erste Stelle tritt si 1956 an der Liebfrauenschule in Bonn an, wo auch Hanna-Renate Laurien und Uta Ranke-Heinemann zu ihren Kollegen gehörten, bevor sie 1967 an die Liebfrauenschule nach Berlin wechselte.

1971 kam dann der Wechsel in die Kleinstadt Ahlen, zunächst gar nicht nach dem Geschmack von Sr. Josefinia, die sich eher für Schulorte des Ordens in Bonn, Berlin, Mailand und Rom interessiert hatte.

Nach einer Einarbeitungszeit unter ihrer Vorgängerin Sr. Gregoria Berger übernahm sie am 1. August 1971 die Leitung von St. Michael.

„Jetzt wurde das damals ein wenig vor sich hin dümpelnde Schulschiff neu getrimmt und auf Kurs gebracht. Volle Fahrt voraus war angesagt“, wie es in einer Laudatio zu ihrer Verabschiedung hieß. Hierin folgte sie ihrer Lieblingsautorin Ingeborg Bachmann, die in ihrem Gedicht „Ausfahrt“ schrieb:  „Das Beste ist die Arbeit auf den Schiffen, die weithin fahren, das Tauknüpfen, das Wasserschöpfen, das Wände dichten und das Hüten der Fracht.“  So sollte die Ahlener Schule ihren kosmopolitischen Unternehmergeist zu spüren bekommen, der den Hauch provinzieller Enge nicht mehr duldete. Mit diesem Geist wirkte sie nicht nur tatkräftig in das Kollegium und die Schülerschaft hinein, sondern genauso auch in die Stadt Ahlen.

In ihre Dienstzeit fielen die Erneuerung der Oberstufe, die Einführung der Koedukation 1974, der Übergang aus der Ordensträgerschaft der Schwestern Unserer Lieben Frau an das Bistum Münster 1975, die Aufgabe des Internats und, ganz entscheidend für die Ahlener Schullandschaft,  der Beginn der Kooperation mit dem Städtischen Gymnasium.

Eine rege Bautätigkeit bestimmte von nun an die Schulen St. Michael. Der Umbau der Kapelle, der Rückbau des Klosters und Internats für schulische Zwecke, die Erneuerung der Fachräume und Neubau des Klosters im Nonnengarten, das 1980 bezogen wurde. „An St. Michael wird eigentlich immer gebaut“, waren ihre Worte zur Einweihung des Schulneubaus im Jahre 2012.

Im Sommer 1989 wurde Sr. Josefinia in Anwesenheit zahlreicher Ehrengäste und der versammelten Schülerschaft in den Ruhestand verabschiedet, aber gleich begann wieder ein neuer Aufbruch in der Zeit des politischen Umbruchs in Deutschland. 1990 kehrte sie nach Berlin zu der im Ostteil der Stadt gelegenen Theresienschule zurück, die sie 16 Jahre lang beim Wiederaufbau und in der Umstrukturierung begleitete, bevor sie 2006 wieder in ihr inzwischen geliebtes Ahlen zurückkehrte, wo sie bis 2015 lebte.

Ihre ganze Zuneigung  galt aber der Stadt Rom und der griechisch-römischen Antike. Immer wieder besuchte sie die ewige Stadt, sei es als Begleiterin ungezählter Studienfahrten oder als Organisatorin und Reiseleiterin offen ausgeschriebener Romfahrten, die schon einen legendären Ruf hatten. Viele Ahlener werden sich an diese Fahrten zu den Kunstschätzen und Bauten des frühen Christentums und prachtvollen Zeugen der Renaissance und Barocks erinnern. Ihrem Motto gemäß einer Zeile aus Ingeborg Bachmanns Gedicht „An die Sonne“, das sie sich als Sinnspruch über ihre Verabschiedung 1989 gesetzt hatte,  blieb Schw. Josefinia ein langes Leben treu: „Nichts schöneres unter der Sonne, als unter der Sonne zu sein.“

Der Gedenkgottesdienst für Sr. Josefinia, zu dem auch die Ahlener Öffentlichkeit eingeladen ist, findet am 10. November um 14.00 Uhr in der St.-Elisabeth-Kirche statt. Die Beisetzung erfolgt zu einem anderen Termin im engsten Familienkreis.