Themenabend: Warum man Kinder ab 12 Jahren gegen Corona impfen lassen sollte

„Jeder, der sich gegen eine Impfung entscheidet, wird sich nach derzeitigem Wissensstand im weiteren Verlauf mit Corona anstecken", so Prof. Dr. med. Carsten Krüger, Leiter der Kinderklinik in Ahlen. Die aktuell in Deutschland zu fast 100 % vorkommende Delta-Variante zeige eine so hohe Ansteckungsrate, dass Fachleute davon ausgehen, dass die gesamte Bevölkerung in den nächsten Monaten bis Jahren entweder geimpft oder erkrankt sein wird. Die unterschiedlichen Risiken der beiden Möglichkeiten machte Prof. Krüger anschließend den ca. 50 Gästen in der Aula des St. Michaels deutlich.

Zunächst erläuterte er, was eine Coronainfektion für Kinder bedeutet. „Es gibt verhältnismäßig wenige Fälle von Hospitalisierung (Aufnahme in ein Krankenhaus) und kaum Todesfälle", erläuterte Krüger. Auch steckten Kinder in der Regel weniger Erwachsene an. Der Weg der Ansteckung sei aufgrund der bei Kindern kleineren Virenlast eher umgekehrt. Einer Coronainfektion bei Kindern folgten aber unter Umständen andere Erkrankungen wie z. B. PIMS. Das Kürzel PIMS steht für „Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrom" und ist ein postvirales Entzündungssyndrom, das meist erst einige Wochen nach der Covid-Erkrankung auftritt. Dabei überreagiert das Immunsystem plötzlich und es kommt zu hohem Fieber und Ausschlägen. Neben diesem Syndrom kann es auch bei Kindern zum sogenannten Long-Covid-Syndrom kommen. Die weitaus größte Folge seien aber psychische Erkrankungen. Immerhin ein Drittel der Jugendlichen geben an, dass sie mit der Situation im Lockdown nur schwer zurecht gekommen sind . So haben der Medienkonsum zu und die Möglichkeiten zur Bewegung abgenommen. Auch im schulischen Bereich sind viele Kinder und Jugendliche von großen Lernrückständen und dem Druck, diese wieder aufzuholen, betroffen. Unter anderem habe dies die STIKO im August dazu bewogen, die Impfung für Kinder ab 12 Jahren zu empfehlen. Auf Nachfrage, warum diese Empfehlung in Großbritannien wieder zurückgenommen worden sei, entgegnete Prof. Krüger, der selbst Mitglied des Royal College of Paediatrics and Child Health, also der Vereinigung der Kinderärzte in Großbritannien ist, dass die dortige Impfkommission die psychischen Folgen eben nicht mit als Risiko einstufen würde, die britischen Kinderärzte dies aber sehr wohl tun und die Impfung geschlossen empfehlen würden.

Prof. Krüger machte aber auch deutlich, dass die Impfungen natürlich mit Risiken behaftet seien, die es abzuwägen gelte. So könne es in einzelnen Fällen zu einer Myokarditis kommen. Dies ist eine Entzündung des Herzmuskels, die sich mit Brustschmerzen, Herzklopfen, Herzrhythmusstörungen oder Herzversagen bemerkbar macht. Die Erkrankung lässt sich aber gut behandeln, wenn sie frühzeitig erkannt wird. Diese Nebenwirkung tritt aktuell nur in 41 Fällen von 1 Million geimpften Kindern der entsprechenden Altersgruppe auf und zeigt dabei bisher einen milden Verlauf.

Die Risiken einer Coronainfektion seien sowohl für Kinder als auch für Erwachsene deutlich schwerwiegender. Dass es trotz Impfdurchbrüchen, also Coronainfektionen trotz einer Impfung, bei nicht geimpften Erwachsenen in erheblich größerer Zahl zu Hospitalisierungen und Todesfällen komme als bei geimpften, belegte er mit wissenschaftlichen Studien. Auch, wenn die Zahl der Todesfälle bei Kindern nahe null und die Folgen einer Infektion nicht so schwerwiegend wie bei Erwachsenen seien, dürfen die psychischen Folgen nicht unterschätzt werden.

Damit überzeugte Prof. Krüger einen großen Teil der Anwesenden, die in einer anonym durchgeführten Umfrage zu Beginn des Vortrages noch angegeben hatten, sich nicht sicher zu sein, ob sie ihre Kinder impfen lassen möchten. Denn am Ende gaben viele der anwesenden Eltern in der erneut durchgeführten Umfrage an, ihre Kinder „eher" impfen lassen zu wollen. Eines sei jedoch klar, so Prof. Krüger zum Schluss: „Den besten Schutz erreichen wir, wenn sich alle Erwachsenen impfen lassen würden."