Virtueller Besuch des zukünftigen Rabbiners von Münster Levi Ufferfilge

Am 14.12.21 fand für einige Schüler:innen anstelle des regulären Unterrichts ein Interview mit dem Autor des Buches "Nicht ohne meine Kippa" statt. In dem Buch erzählt Levi Israel Ufferfilge von seinen Erfahrungen mit antisemitischen Vorfällen in Deutschland. Drei Sozialwissenschaftskurse der 10. Klasse und ein Pädagogikkurs stellten in der Konferenz Fragen an den jüdischen Autor. Auch wenn das Treffen nur digital möglich war, war das Interesse der Schüler groß.

Levi ist angehender Rabbiner (Lehrer und Geistlicher im Judentum) in der jüdischen Gemeinde in Münster. Ursprünglich kommt er aus einer jüdischen Familie in Minden und studierte nach seinem Abitur jüdische Studien und Jiddistik in Düsseldorf und Oxford. Später war er der Leiter mehrerer jüdischer Schulen und wohnt heute in Berlin. Im Mai diesen Jahres brachte er dann sein Buch heraus, in dem es um das Sichtbarsein als Jude und die schockierenden Konsequenzen geht. Levi ist nämlich einer der Juden, die tagtäglich eine Kippa (jüdische Kopfbedeckung für Männer) tragen. Darum muss er traurigerweise, wenn er seinen Alltag als Jude schildert, auch von antisemitischen Anfeindungen, Beleidigungen und einigen gewalttätigen Übergriffen berichten.

Die teilnehmenden Kurse haben zwei Vertreter:innen ausgewählt, die während der Konferenz Fragen der Schüler:innen zum Thema Antisemitismus oder zum generellen Leben als Jude in Deutschland gestellt haben. Die Kurse wollten zum Beispiel wissen, wie Levi seine Religion praktiziert und wie das so ist, öffentlich als Jude erkennbar zu sein. Levi erklärte, dass das Tragen der Kippa wie ein Magnet für Antisemiten wirke und dass er darum jeden Tag mehrmals an verschiedenen öffentlichen Orten beleidigt und beschimpft würde. Er musste auch einige sehr schlimme Erfahrungen machen mit Leuten, die ihn mit heißem Kakao übrschüttet haben, mit Leuten, die ihm aufgelauert haben um ihn zu verprügeln oder mit Leuten, die mit Glasflaschen nach ihm und seinen Freunden geworfen haben. Manchmal musste er sich gegen Neonazis wehren und manchmal musste er vor aggressiven Jugendlichen weglaufen, aber in jedem Fall waren die Situationen sehr unangenehm und solche Vorfälle haben ihm schon einige schöne Momente ruiniert.

Auf die Frage, welche Belastungen es für jüdische Schüler:innen gibt, antwortet Levi, dass es eine hohe Gewalt gegen jüdische Gemeinden gibt und darum oft unterschiedliche Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden müssen. Beispielsweise sind die Fenster mit Panzerglas gesichert, es gibt hohe Zäune oder Mauern und die Gebäude werden oft von Sicherheitsleuten bewacht. Dies wird oft als bedrückend empfunden, aber Levi meinte, man würde sich schnell an die Vorkehrungen gewöhnen. Außerdem ist es ein Problem für jüdische Schüler:innen, dass an manchen jüdischen Feiertagen die Schule trotzdem stattfindet. So müssen sie sich möglicherweise entscheiden zwischen einem Feiertag ihrer Religion oder einer Matheklausur. Weil es oft nur wenige jüdische Schüler:innen auf Schulen gibt, wird man als einziger Jude der Stufe zu unterschiedlichsten Themen ausgefragt. Auch wenn man nicht immer Lust hat, etwas über seine Religion zu erzählen, hat man schon als Kind die Verantwortung seine Religion gut zu repräsentieren.

Bei all den negativen Berichten haben sich die Schüler:innen gefragt, ob Levi schonmal an seinem Lebensstil gezweifelt hat und ob er auch positive Erfahrungen gemacht hat. Darauf antwortete er, dass er lediglich manchmal am gesunden Menschenverstand zweifelt und an den Religionen der Antisemiten, die so einen Hass nicht verhindern. Darüber hinaus gibt es auch schöne Momente, wenn Levi öffentlich als Jude erkennbar ist. Oft führt er nette Gespräche mit anderen Religionsvertreter:innen und es kommen Leute zu ihm, die am Judentum interessiert sind. Manchmal sprechen ihn auch Leute an, die ihm Mut zusprechen und ihre Solidarität ausdrücken.

Levi glaubt zwar nicht, dass Antisemitismus in Deutschland komplett verschwinden kann, aber man kann ihn mit verschiedenen Mitteln bekämpfen. Am wichtigsten ist das Kennenlernen, denn wenn man merkt, dass man Gemeinsamkeiten hat, und Bekanntschaft macht, kann sich kein Hass entwickeln. Deshalb gibt es Gemeinden, bei denen man sich ein Kennenlerntreffen mit einem Juden organisieren kann. Auch wichtig ist Bildung und Aufklärung über Antisemitismus, Antijudaismus und den Holocaust. Ansonsten sollte auf die Sichtbarkeit von jüdischem Leben im Fernsehen und in den sozialen Medien Wert gelegt werden, denn es soll selbstverständlicher werden, dass es Juden gibt. Darum wünscht sich Levi, dass durch Kennenlernen, Sichtbarkeit und Bildung der Antisemitismus in Zukunft klein gehalten wird.

Ida Elfers