Geschichte hautnah

Am Mittwoch Vormittag trafen sich zwölf Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums St. Michael, mit Hans Werner Gummersbach, um sich über das Schicksal der jüdischen Gemeinde Ahlens während der Zeit des Nationalsozialismus zu informieren. Die Lernenden beschäftigen sich zur Zeit in ihrem Leistungskurs Geschichte bei Herrn Epke mit diesem dunklen Kapitel der deutschen Geschichte und wollten nachvollziehen, welche Konsequenzen das in den Schulbüchern beschriebene politische Handeln –  meist im fernen Berlin beschlossen – auch in ihrer Heimatstadt hatte.
Hans Werner Gummersbach, der sich seit 1983 mit dem Thema beschäftigt, ist Autor des Buches „Der Weg nach Auschwitz begann auch in Ahlen“ und wohl der beste Kenner dieser Materie. In einem eindringlichen Vortrag zeichnete Gummersbach den Weg der Ahlener jüdischen Gemeinde von einer geachteten Integration in die Ahlener Gesellschaft über Entrechtung und Ausgrenzung bis hin zur Vernichtung in den Konzentrationslagern. Die Schülerinnen und Schüler erfuhren von einzelne Schicksalen, die sich in heute noch existierenden Häusern abspielten, von Verzweiflung und Tod, aber auch von gelungenen Fluchten. Trauriger Höhepunkt waren die Ausschreitungen  gegen ihre jüdischen Mitbürger während der Reichspogromnacht am 9. November 1938, an denen sich etwa 70 Ahlener beteiligten. Nur wenig später mussten die Juden auf Beschluss des Stadtrates Ahlen verlassen. Erschreckende Bilanz: von etwas über 130 Mitgliedern der jüdischen Gemeinde, die zu Beginn des Jahres 1933 in Ahlen lebten, haben nur 35 überlebt.
Aber Gummersbach wusste auch von Solidarität und Mut zu berichten. Seine Untersuchungen der Ahlener Presselandschaft ergaben, dass sich zumindest eine Lokalredaktion der Hetze gegen die jüdischen Mitbürger Ahlens entzog und dass sich mutige Ahlener den Umgang mit ihren jüdischen Freunden und Nachbarn nicht verbieten ließen. Er nannte das Beispiel eines Geschäftsmanns, der auf schriftliche Vorhaltungen der Ahlener Ortsgruppe der NSDAP antwortet: „Ich kaufe mein Fleisch, wo ich will!“ und natürlich Therese Münsterteicher, die die Familie Moszkowicz mit Informationen und Lebensmitteln unterstützt hatte.
In Zeiten wachsender Ängste vor dem Andersein von Menschen anderer Kulturen und Religionen lernten die Schülerinnen und Schüler, wohin es führen kann, wenn Vorurteile und Hass die Oberhand gewinnen, aber auch, dass es immer auch einen anderen Weg gibt.