Studienfahrt 2012: Internationale Begegnung mit der Türkei

Unter dem Motto ‚Sehet und staunet‘ verbrachten 23 Schüler der Jahrgangsstufe 12 des St. Michael Gymnasiums vom 05.09.2012 bis zum 13.09.2012 eine spannende und vielseitige Woche in der Millionenstadt Istanbul. Begleitet wurde die Fahrt von Kathrin Lohne und Johannes Epke, von Letzterem die Schüler immer wieder spannende Geschichten zu den besichtigten Kulturschätzen erfuhren.

Immer wieder aufs Neue wurden die Schüler von Kirchen, Palästen und Moscheen beeindruckt, die zu ihrer Zeit bedeutende Machtdemonstrationen darstellten und auch heute noch faszinieren.

Dies gilt zu allererst für die Hagia Sophia,  die ehemalige Hauptkirche des byzantinischen Reiches, die heute als Museum dient. Ihre Kuppelhöhe von 55m und ein Breite des zentralen Raumes von 70m lassen alles andere klein wirken.
Dadurch sollte die Größe Gottes, natürlich auch die Macht und der Reichtum des kaiserlichen Erbauers, demonstriert werden. Der kleine Mensch dagegen wird durch die kaum erfassbare Linienführung der Architektur immer wieder auf sich selbst zurückgeworfen.
Weitere Zeugnisse der großartigen christlichen Vergangenheit Konstantinopels sind außerdem das Hippodrom, das Mosaikenmuseum, die Yrebatan Zisterne und die Theodosianische Landmauer mit der Porta Aurea. Im Hippodrom konnte die Gruppe sich die rasenden Wagenrennen noch gut vorstellen, das Mosaikenmuseum zeigt letzte Reste von der großartigen Pracht der byzantinischen Kaiserpaläste, die Yrebatan Zisterne erzeugt die Stimmung eines untergegangenen Palastes, in dem das Wasser für die damals größte Stadt der Welt gespeichert wurde. Die Theodosianische Landmauer schließlich hat Konstantinopel 1000 Jahre lang vor Eroberern zuverlässig geschützt.

1453 findet eine Zäsur statt, die in Istanbul, wie die Stadt von nun an heißt, an jeder Stelle zu erkennen ist. Im Frühjahr dieses Jahres eroberten die osmanischen Türken die alte Kaiserstadt und machten sie zum Zentrum ihres Weltreiches. Die architektonischen Zeugen dieser Zeit sind vor allem der Topkapi Palast, die faszinierenden Bauten des genialen Architekten Sinan, die Sultanachmed Moschee, die die Touristen wegen der blauen Kacheln und Fenster gern die blaue Moschee nennen und der Dolmabace Palast.

 Der Topkapi Palast beeindruckt besonders durch Unterschied zur europäischen Palastarchitektur, die durch großartige Fassaden und weitläufige Achsensymetrien die Macht des Herrschers demonstriert. Hier ist alles anders: in eher familiär wirkenden Gartenanlagen liegen verstreut kostbar geschmückte Pavillions aus verschiedenen Jahrhunderten, die noch einen Eindruck vom Ursprung der Osmanen als Nomadenvolk vermitteln, das in Zelten lebte. Die Fantasie beflügelt nach wie vor der Harem, in dem zur Zeit der Sultane bis zu 1200 Frauen lebten. In der Schatzkammer bestaunten die Schüler neben unzähligen Waffen und Schmuckstücken,  christlichen und vor allem muslimischen Reliquien auch den größten Diamanten der Welt.

Einen ganz anderen Eindruck aber hinterließ der Dolmabace Palast. Er ist der letzte Palast der osmanischen Sultane und zeugt von dem Versuch, die Öffnung des Osmanischen Reiches nach Europa und seine Modernisierung zu versinnbildlichen. Die verschwenderische Pracht in diesem Palast, der nach europäischen Vorbildern erbaut wurde, zeugt allerdings eher von der Tragik dieses Versuches, der das Osmanische Reich nicht retten konnte. Es zerfiel 1918 nach der Niederlage Deutschlands im 1. Weltkrieg, mit dem es verbündet war.

Dieses Thema wurde auch während der Bosporusfahrt erneut aufgegriffen.  In Tarabya besuchten die Schüler auf dem Gelände der Sommerresidenz des deutschen Generalkonsuls einen deutschen Soldatenfriedhof, auf dem Gefallene des 1. und 2. Weltkriegs ihre letzte Ruhe gefunden haben. Die Erinnerung an so viele abgebrochene Leben und Hoffnungen machte sehr nachdenklich und auch bewusst, was Krieg wirklich bedeutet.

 Imposante Architektur konnte auch beim Besuch der deutsch-türkischen Partnerschule des St. Michael Gymnasiums‚ dem Istanbul Lisesi bestaunt werden. Diesmal demonstrierten aber nicht die Osmanen, sondern die Europäer ihre Macht. Der osmanische Staat war bankrott und die Europäer übernahmen zur Absicherung ihrer Kredite die osmanische Steuerverwaltung, was sie in der Architektur ihrer Finanzverwaltung ausdrückten. Das Gebäude, in dem heute die Partnerschule untergebracht ist, ist riesig und überragt den gesamten Stadtteil und auch den Sultanspalast. Es bietet einen fantastischen Blick über die Stadt und beeindruckte durch großrahmige Räumlichkeiten, die allerdings ganz anders, viel nüchterner gestaltet sind als beispielsweise die des Gymnasiums St. Michaels.

Besonders interessant waren jedoch die Kontakte zu anderen Menschen, die aus ganz verschiedenen Gründen in Istanbul leben. So folgten die Schüler gern den Ausführungen des Leiters der deutschen Abteilung der türkischen Schule und stellten auch beim Besuch im deutschen Generalkonsulats eine Menge Fragen. Die Erfahrungen dieser Menschen, der Kontakt zu ehemaligen Austauschschülern und letztlich die eigenen Erfahrungen sorgten dafür, dass das Gefühl der Fremde schnell wich und die Schüler Verständnis für die Lebensweise der Türken entwickelten. Erste Berührungsängste waren schnell vergessen und Vorurteile aus dem Weg geräumt. Dass Istanbul eine moderne Stadt ist, zeigte sich den Schülern auch, als sie die Abendstunden in den nahegelegenen Bars verbrachten und so einheimische Jugendliche und die kulinarische Vielfältigkeit der Türken kennen lernen konnten. Durch Einblicke in die Traditionen der Osmanen und den Alltag der Türken heute sehen die Schüler nun auch die deutschen Mitbürger mit türkischem Migrationshintergrund aus einem anderen Blickwinkel. Die Schüler haben während ihrer Studienfahrt einen intensiven Einblick in das fremde, offene und in die Geschichte tief verwurzelte Istanbul erhalten und eine schöne Woche dort verbracht.
Nicole Borgschulte