Leben im Schatten der Mauer von Jerusalem

Schüleraustausch zwischen dem Collège des Frères in Jerusalem und dem Gymnasium St. Michael in Ahlen

13 Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums St. Michael nahmen an einem Austausch mit dem Collège des Frères in Jerusalem teil. Sie waren zu Gast bei palästinensischen Familien, um dort das alltägliche Leben angesichts einer Mauer, die Familien trennt und den Alltag palästinensischer Schüler schwer macht, kennenzulernen.

Nachdem die Gruppe aus Ahlen bereits eine Woche durch Israel gereist war, machten sich die deutschen Schüler mit Nervosität und spannender Erwartung auf den Weg nach Jerusalem. Als sie dann in der Schule inmitten der Altstadt von Jerusalem ihre palästinensischen Austauschpartner und deren Lehrer kennenlernten, waren die anfänglichen Ängste und Sorgen schnell verflogen und das Eis gebrochen. Der herzliche Empfang der palästinensischen Familien machte es leicht, sich in den christlichen und muslimischen Gastfamilien einzuleben und wohl zu fühlen. Schon bald tauschten sich die deutschen Gäste eifrig mit ihren palästinensischen Familien über das alltägliche Leben, die Berufe, die Schule und Essgewohnheiten in Jerusalem und Ahlen aus.

Die Gastfreundschaft der Schülerinnen und Schüler und deren Familien beeindruckte die

deutschen Teilnehmer des Austausches nachdrücklich. Äußeres Zeichen dieser Gastfreundschaft waren die großen Mahlzeiten mit den Familien. Oftmals gab es palästinensisches Essen und dieses in großer Vielfalt und Menge, dass trotz eines großen Sättigungsgefühls den Gästen immer wieder angeboten wurde. Trotz der immer wieder angespannten Situation in Israel ist es den palästinensischen Gastgebern gelungen, dass sich die Ahlener Schülerinnen und Schüler sehr heimisch fühlten. Sie wurde sie zu Familienmitgliedern auf Zeit. Zum Thema Deutschland hatten die palästinensischen Schülerinnen und Schüler immer wieder die Assoziation von Recycling und Bier. Hier gilt es beim Gegenbesuch das weitaus Spektrum an möglichen Eindrücken von Deutschland zu erweitern. Die Gäste konnten auch in den Unterricht an der Schule hineinschnuppern. Die Schülerinnen und Schüler aus Jerusalem bereiten sich dort für das Fachabitur ähnliche britische „General Certificate of Education“ (GCE) vor. Der überwiegende Teil der Fächer wird in englischer Sprache erteilt. Über den Unterricht hinaus ermöglichte das Begegnungsprogramm den deutschen Gästen auf Exkursionen nach Bethlehem und Hebron, die Situation der Palästinenser im Schatten der Mauer, die Jerusalem umgibt und von den palästinensischen Gebieten trennt, besser zu verstehen. Die Brisanz des israelisch-palästinensische Konflikts wurde beim gemeinsamen Besuch in Hebron mitten im Westjordanland deutlich. Vierhundert israelische Siedler werden dort im palästinensischen Gebiet von 2.000 Soldaten rund um die Uhr beschützt. Einige jüdische Siedler wohnen mitten in der muslimischen Altstadt. Dafür wurden umliegende Häuser geräumt und mehrere Straßen gesperrt. Die Ahlener Gruppe und ihre Austauschschüler trafen den Palästinenser Shanie. Sein Haus ist umgeben von jüdischen Siedlern, die mit Schikanen und Drohungen versuchen, ihn und seine Familie zu vertreiben. Auf dem Dach des Hauses von Schanie zeigt dieser den Schülerinnen und Schülern von Siedlern zerschossene Wassertanks und berichtet von seiner sechsjährigen Gefangenschaft in israelischer Haft. Seine Geschichte machte die deutschen Gäste aber ihre Gastegeber betroffen. Sie half dennoch besser zu verstehen, wenn die Gastfamilien über den Konflikt sprachen. Die angespannte Atmosphäre bekamen die Schülerinnen und Schüler auch in einigen der vielen Checkpoints in der Westbank, die sie bei der Reise passieren mussten, zu spüren. Soldaten mit Maschinengewehren sind einfach für Deutsche nicht so alltäglich!

Teil des Austauschprogramms ist die Arbeit am gemeinsamen deutsch-palästinensischen Projekt „Leben im Schatten der Mauer“. Hier werden die Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler beispielsweise aus Hebron oder aus den Gastfamilien und die Erfahrungen der Palästinenser im alltäglichen Leben mit der Mauer von Jerusalem an den historischen Erfahrungen der Mauer und des Mauerfalls in Berlin gespiegelt werden. Das Projekt „Leben im Schatten der Mauer“ will mit Hilfe von Erfahrungsberichten, Film- und Bilddokumenten die Mauer von Jerusalem und die Mauer von Berlin in einen Dialog miteinander bringen. Beim Gegenbesuch der Palästinenser im Juli wird eine Exkursion nach Berlin das Leben nach dem Fall einer solchen trennenden Mauer verdeutlichen.

Dass Grenzen und kulturelle Barrieren in kurzer Zeit zwischen Menschen auch überwunden werden können, zeigte die herzliche Abschiedsparty für die deutschen Schülerinnen und Schüler. Nach einer Woche in den Gastfamilien verabschiedeten sich Deutsche und Palästinenser mit einer Fülle von gemeinsamen Erfahrungen voneinander. Aber spätestens im Juli gibt es ja ein Wiedersehen in Ahlen!